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4.3. Das Handelsblatt
Das „Handelsblatt“ war (und ist) das amtliche Publikationsorgan der rheinisch-westfälischen Presse und galt als die deutsche Wirtschaftszeitung. Während den Jahren 1955 bis 1960 wurde es zu ca. 95% im Abonnement bezogen. Das Handelsblatt findet trotz der im Vergleich zu den anderen deutschen Zeitungen relativ kleinen Auflagenhöhe hier Erwähnung, da es einen Spezialtyp von Zeitungen, nämlich einen auf Politik, Wirtschaft und Finanzen bezogenen, repräsentiert, der auch zur Informationsbeschaffung für die Bundesbürger hätte dienen können. Außerdem war zu vermuten, dass sich hier die Einstellung der deutschen Wirtschaft zum EWG-Projekt am Deutlichsten artikulieren würde.
Der 25. März 1957 lieferte den Aufmacher der ersten Seite der Ausgabe des „Handelsblatts“ vom 27.3.1957.[68] Es wurde auf den langen Weg der Einigung und der Kompromisse der sechs Montanstaaten hingewiesen, das Historische dieses Tages hervorgehoben und optimistisch in die Zukunft gesehen. Eine Erläuterung der einzelnen Ziele und Inhalte erfolgte hier noch nicht, sondern nur die Einsicht in die Notwendigkeit eines gemeinsamen europäischen Marktes aufgrund der Chancenlosigkeit der Märkte der Einzelstaaten.
Tiefergehende Informationen erhielt der wirtschaftserfahrene Leser in dem Aufmacher der Seite 5, in dem über eine Rede des Industrie- und Handelskammerpräsidenten Dr. Heinrich Kost auf der Vollversammlung berichtet wurde.[69] Das „Handelsblatt“ sprach hier von einer zu erwartenden Dynamisierung der europäischen Wirtschaftskräfte durch den Gemeinsamen Markt, aber auch von vorübergehend höheren Außenzöllen, die Deutschland belasten könnten, war die Rede, des Weiteren von der Frage nach einer Präzisierung der Forderung einer Harmonisierung der sozialen Leistungen der Mitgliedsländer, der Warnung vor einer Verschlechterung des Warenverkehrs mit überseeischen Staaten und der Enttäuschung über die nicht zustande gekommene Reglung der internationalen Geld- und Währungsprobleme. Die Harmonisierung der inneren Wirtschaftspolitik der Mitglieder sei noch nicht vorangekommen.
Auf Seite 3 der Ausgabe vom 8.7.1957 befand sich der letzte Artikel, der dem hier betrachteten Zeitraum zuzusprechen war.[70] In einem über mehrere Spalten reichenden Artikel wurde über die Ratifizierung des EWG-Vertrages im Deutschen Bundestag berichtet und auf Kontroversen im Parlament und angebliche Schwächen des Vertrages hingewiesen. Dazu gehörten z.B. die unzulänglichen Vollmachten des Europäischen Parlaments. Dies wurde von der SPD kritisierte, allerdings stimmte sie im Gegensatz zur FDP der Ratifizierung zu, die der Meinung war, die EWG verhindere den Weg zu einem geeinten Europa. Auch die verteidigenden Worte der CDU, die die EWG als Institution auffasste, die gegen niemanden gerichtet sei, wurden hier erwähnt.
Zusammenfassend zum „Handelsblatt“ lässt sich festhalten, dass man bei einem Spezialorgan der deutschen Wirtschaft davon ausgehen muss, dass sich die Leser schon berufsbedingt mit der deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik auseinandersetzten und eine detailreiche Erklärung wohl eher als überflüssig empfunden hätten. Die betont sachliche und emotionslose Darstellung hatte einen starken Nachrichtencharakter, der sich dem Nichtfachmann wohl schwer erschloss. Die Beachtung der vielen Meinungen und der Kontroverse um den Vertrag sind positiv zu bewerten.
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[68] Vgl. „Europa-Verträge in Rom unterzeichnet, Manifestation europäischer Solidarität –Adenauer: ‚Geschichtlicher Augenblick’“, in: Handelsblatt vom 27.3.1957, Nr. 37, S. 1.
[69] „Stärkere Wirtschaftsdynamik in Europa – Dr. Kost begrüßt Gemeinsamen Markt vor Vollversammlung der IHK Duisburg“ in: Handelsblatt vom 27.3.1957, Nr. 37, S. 5.
[70] „CDU und SPD einig über Gemeinsamen Markt, Drei Ministerräte sollen eng zusammenarbeiten – Importpreissteigerung wird nicht befürchtet, in: Handelsblatt vom 8.7.1957, Nr. 78, S. 3.
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