|
4.5. DIE ZEIT
In den Ausgaben der „ZEIT“ finden sich Informationen über alle drei hier behandelten Ereignissen.
In der Ausgabe vom 28. März 1957 erschien auf Seite 2 unter der Rubrik ‚Wichtig- und warum’ eine knappe Meldung über die Unterzeichnung in Rom, in der auf die Notwendigkeit der Zustimmung der nationalen Parlamente hingewiesen und deren positiver Verlauf erwartet wurde.[74]
Ebenfalls unter der Rubrik ‚Wichtig- und warum’ abgedruckt erschien am 11. Juli 1957 eine Meldung über die Ratifizierung der EWG-Verträge in der Französischen Nationalversammlung und im Deutschen Bundestag.[75] Als herausragend wurde die Tatsache bezeichnet, dass sich die beiden größten Bundestagsfraktionen von CDU und SPD einig zeigten und sachlich sowie leidenschaftslos diskutierten.
Einen ausführlichen Artikel zum Gemeinsamen Markt enthielt die erste Ausgabe der „ZEIT“ von 1958.[76] Exemplarisch wurden hier anhand der Textilindustrie erwartete und befürchtete Veränderungen in Deutschland und Europa beschrieben. Der Leser erfuhr so zum Beispiel, dass die Bekleidungsindustrie nicht, wie andere Branchen, von einem Gemeinsamen Markt profitieren werde, weil eine Rationalisierung durch die Vergrößerung der Produktionsserien für den größeren europäischen Markt und somit eine Kostendegression mit verbundener Preissenkung nicht zutreffe, da das heimische Sortiment auf heimischem Geschmack basiere, der nicht überall in Europa anzutreffen sei. Nicht einmal eine einheitliche Durchschnittsgröße gebe es in Europa. Positiv wurde allerdings bewertet, dass endlich den Wettbewerbsverzerrungen durch die verschiedensten Subventionen eine Ende gemacht werde, wenn die schwierige Harmonisierung der europäischen Wirtschaft geschafft sei.[77]
Zu beachten ist die Grafik im Artikel mit dem kurzen erklärenden Text. Hier wurde der „ZEIT“-Leser kurz und prägnant über den Gemeinsamen Markt informiert. Es fehlte zwar ein Hinweis auf europäische Institutionen, aber das Ziel des gemeinsamen Wirtschaftsraumes mit einer Harmonisierung der nationalen Wirtschaften ist gut erkennbar. Dies wiegt zumindest etwas das Informationsdefizit der ersten angesprochenen Artikel auf, die über einen sachlich-kurzen Nachrichtenstil nicht hinausgingen. Insgesamt aber kann bei den Lesern der „ZEIT“ (auch wenn es sich hier um eine Wochenzeitung handelte und sich die Leser während der Woche noch weitere Informationen verschaffen konnten) nicht von starker Informiertheit gesprochen werden, wenn sogar zum Zeitpunkt der Unterzeichnung diese nur eine kleine Meldung wert war, die inhaltlich kaum Schlüsse zuließ. Dass der „ZEIT“-Leser hier sogar noch schlechter informiert blieb als der „Bild“-Leser ist erstaunlich und zugleich rätselhaft.
[74] „Europa-Verträge unterzeichnet“, in: DIE ZEIT vom 28.3.1957, Nr. 13, S. 2.
[75] Vgl. „Bonn und Paris sagen ja zu Europa-Verträgen“, in: DIE ZEIT vom 11.7.1957, Nr. 28, S. 2.
[76] Vgl. Bissinger, Edgar: „Das europäische Textilsortiment – Der gemeinsame Markt wird einschneidende strukturelle Änderungen bringen“, in: DIE ZEIT vom 2.1.1958, Nr. 1, S. 9.
[77] Das in dem Artikel geforderte europäischen Textilsortiment ist ein Zeichen dafür, dass bei einem, wenn auch nur wirtschaftlich, geeinten Europa die Betonung auf Einigung lag, in deren Folge es auch Bekleidung geben müsse, die in ganz Europa getragen werden könne.
|