Europa

Die EWG und deren Perzeption in der deutschen Öffentlichkeit

von Björn Böhling

6. Ergebnisse

Schon während der Medienanalyse dürfte sich eine deutliche Tendenz in Bezug zu den Leitfragen herausgebildet haben. Deshalb wird nur noch einmal kurz auf die Ergebnisse eingegangen.

So wie schon bei der Berichterstattung der Zeitungen von Enttäuschung gesprochen wurde, kann dies ebenso für den Wissensstand der deutschen Bevölkerung gelten. Es scheint, dass von der Europa-Euphorie nach dem Zweiten Weltkrieg nicht viel bis 1957/58 übriggeblieben war. Die Zeitungen berichteten emotionslos, oberflächlich und in aller Kürze über die EWG und die Bevölkerung war mit 56% 1958 nur schwach über die EWG informiert. Fragte man etwas tiefer nach Inhalten oder Bestandteilen des Gemeinsamen Marktes, dann fiel das Ergebnis mit nur 21% der richtigen Antworten sogar noch desaströser aus. Doch wo liegen die Gründe dafür? Von einer generellen Ablehnung der Verträge war in den Medien nichts zu spüren. Es gab zwar mit dem „Spiegel“ die meisten kritischen Ansätze, aber hier wurde doch eher auf vermeidbare Gefahren hingewiesen, als versucht, die EWG ganz zu verhindern. Auch das am meisten aufgeführteste Argument, die EWG käme den Deutschen ziemlich teuer, wird nicht bis zum Letzten verfolgt. Wenn die Deutschen die Verträge abgelehnt hätten, dann wäre dies doch nur auf der Basis zumindest der kleinsten Information möglich gewesen. Hier verstärkt sich aber der Eindruck, die Öffentlichkeit war so wenig Informationen, dass auch eine Protestwelle keine möglich. Über die Kreise von Politik und Wirtschaft hinaus schien die EWG kaum ein Thema gewesen zu sein.

Gründe für dieses Verhalten können nur vermutet werden. In erster Linie könnte der Vorrang anderer Themen ‚Schuld’ an dem Desinteresse sein. Die Befragung ergab ja schließlich eine ganze Reihe von Punkten, die die deutsche Öffentlichkeit für wichtiger hielt. Natürlich waren in dem behandelten Zeitraum die Auswirkungen der EWG, über die sich der gegenwärtige Leser bewusst ist, überhaupt noch nicht zu spüren – der Zeitraum endete ja schließlich zu dem Zeitpunkt, als es erst richtig losgehen sollte. Und mit etwas, das die Menschen nur abstrakt betraf, waren sie wohl auch nicht so verbunden, dass es ihnen wichtig war. Dass die Zeitungen aber nicht mehr Arbeit in die Berichterstattung investierten, bleibt ebenso ein Rätsel, wie die tatsächliche Meinung der Menschen zu dem behandelten Zeitraum.

Wenn hier von Enttäuschung die Rede ist, dann impliziert das natürlich auch Erwartungen, die aus der Gegenwart an die Vergangenheit gestellt werden. „Darf man überhaupt die Frage stellen, ob so etwas wie die EWG, die doch zu den Meilensteinen unserer erfolgreichen europäischen Integration gehört, in der Vergangenheit nicht erkannt, anerkannt und mit Interesse verfolgt worden ist?“, könnte aus dem Jahr 2002 leicht in die Vergangenheit gefragt werden. Dabei wird besserwisserisch allerdings unterstellt, dass wir uns heute beim Thema Europa so um Kenntnisse bemühen, wie es vielleicht nachfolgende Generationen von uns erwarten. Dann ist auch die Frage erlaubt: „Haben Sie vielleicht schon einmal gehört oder gelesen, dass zur Zeit ein Konvent tagt, um allen EU-Bürgern eine gemeinsame europäische Verfassung zu geben und wenn ja, könnten Sie das näher erläutern?“

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